Geschichte
Die Geschichte der Slowakei ist über weite Strecken des 20. Jahrhunderts auch die Geschichte der Tschechoslowakei. 1918 verbündeten sich Tschechen und Slowaken zu einem gemeinsamen Staat. Es war eine Art Bündnis gegen Deutschland und Ungarn. Und noch heute ist der Begriff Tschechoslowakei vielen Menschen geläufiger als der Staatsname Slowakei, der oft mit Slowenien (zur Erläuterung: eine Teilrepublik des ehemaligen Jugoslawien) verwechselt wird.
Das mag daran liegen, dass in der «kleinen» Slowakei mit gerade einmal 5,4 Mio. Einwohnern weniger Menschen leben als im Ruhrgebiet, und auch daran, dass heute mit Tschechien der größere Teil der ehemaligen Tschechoslowakei schon allein aufgrund seiner direkten Grenze zu Deutschland vielen Deutschen präsenter ist als der Staat, in dem sich die geografische Mitte Europas befindet.
Die Slowakei war in ihrer Geschichte meist abhängig von stärkeren Partnern. Während ihrer gesamten Geschichte gab es Autonomiebestrebungen, die immer wieder von verschiedenen Seiten unterdrückt wurden. Seit 1993 ist sie zum ersten Mal wirklich selbstständig. Bis heute ist beispielsweise das Verhältnis der Slowaken zu den Ungarn, die noch rund zehn Prozent der Bevölkerung stellen, nicht frei von Belastungen.
Rückblick: Die ältesten archäologischen Funde belegen eine Existenz menschlichen Lebens im slowakischen Raum zur Zeit des mittleren Palöolithikum (200.000 bis 35.000 v. Chr.). Germanische und keltische Völker besiedelten schon lange das Gebiet des heutigen Tschechien und der heutigen Slowakei. Zu Beginn unserer Zeitrechnung rückten die Römer in Gebiete südlich der Donau vor. Römische Garnisonen drangen auch in Gebiete nördlich der Donau ein und errichteten befestigte Lager und Siedlungen. Bis ins 5. Jahrhundert blieben die Machtverhältnisse weitgehend unverändert und das Gebiet der Slowakei galt als Grenze der zivilisierten Welt.
Die Zeit der Völkerwanderungen veränderte das Gesicht Europas sehr stark. Die Hunnen bedrohten den Süden und Westen Europas, während die Slawen in das Gebiet der Slowakei einfielen. Später kamen hier noch die Awaren hinzu. Aus einem Aufstand der Westslawen gegen die Awaren ging das erste schriftlich belegte Staatsgebilde, das Reich Samo’s, hervor. Um 800 entstand ein christliches Fürstentum um das heutige Nitra, das um 830 dann im Großmährischen Reich aufging. Der Einflussbereich Großmährens reichte bis nach Krakau, Meißen und in das spätere Ungarn. 906 jedoch fiel es den einfallenden Ungarn zum Opfer. Im 10. Jahrhundert erfolgte auch die Christianisierung Böhmens durch die Przemysliden, woraus sich die bis ins 19. Jahrhundert gültige Westorientierung ergab.
Im Kampf zwischen den Anhängern und den Gegnern der Christianisierung wurde 929 der Przemyslide Wenzel durch seinen Bruder Boleslav ermordet. Doch der Mord stoppte die Christianisierung nicht. Vielmehr wurde Wenzel zum Märtyrer und damit zu einem Symbol des einheitlichen christlichen Staates. Im Zuge der Machtübernahme durch die Przemysliden wurden die Westslawen in Tschechen und Slowaken geteilt. Böhmen etablierte sich unter Boleslav als selbstständige politische Größe. 950 unterwarf sich Böhmen unter Boleslav dem deutschen König. Nach dem Ende der Staufer waren die böhmischen Könige die mächtigsten Fürsten des Reiches. Die Slawen an der Elbe widersetzten sich den Deutschen zwar 983 erfolgreich im Großen Slawenaufstand, doch waren sie zu uneins, um diesen Erfolg zur Festigung des Reiches zu nutzen.
Im 11. Jahrhundert kam es zwischen Slawen und Deutschen zu häufigen Kriegen. Das deutsche Kaiserreich wurde Ende des 11. Jahrhunderts durch den Konflikt mit der Kirche geschwächt. Der Streit zwischen Kaiserreich und Kirche dauerte mit Unterbrechungen bis ins 13. Jahrhundert an. Inzwischen kam es zu vielen Städtegründungen und einem Aufschwung des Bergbaus, ausgelöst vor allem durch deutsche Zuwanderer in der Zips. Der böhmische König Ottokar II. weitete seit 1253 die Macht der Böhmen wieder aus. 1273 jedoch wandten sich viele Adelige dem neugewählten deutschen König Rudolf von Habsburg zu. 1276 unterwarf er sich bei Wien, um 1278 gegen Rudolf in den Krieg zu ziehen. Doch er unterlag am 26.8.1278 in der Schlacht auf dem Marchfeld und wurde auf der Flucht erschlagen. So kam Habsburg in Osteuropa in eine Vormachtstellung.
Unter dem böhmischen König Karl IV. (1346-1378), der zugleich deutscher König war, wurden Böhmen und Mähren zu der zentralen Macht in Europa. 1344 bereits erreichte Karl IV. die Umwandlung des bislang Mainz unterstellten Bistums Prag in ein Erzbistum. Zu der kirchlichen Unabhängigkeit kam vier Jahre später die geistige dazu, als Karl die Prager Universität errichten ließ, die erste Hochschule nördlich der Alpen und östlich des Rheins. Zu dieser Zeit gab es einen großen Wohlstand in dem Gebiet, der mit einem großen Bevölkerungswachstum einherging. Auch Deutsche wanderten in dieser Zeit zu und stellten in den Städten überwiegend die Oberschicht. Dadurch kam es zu sozialen Spannungen, die nach der Hinrichtung des böhmischen Kirchenreformers Johannes Hus auf dem Konstanzer Konzil im Jahre 1415 die Hussitenkriege auslösten. Antideutsche, nationalistische Bewegungen spalteten und ruinierten das Land.
Nach der Niederlage des ungarischen Heers bei Mohác gegen die Türken 1526 fiel die Slowakei, die seit dem 11. Jahrhundert ein Teil Ungarns war, gemeinsam mit Böhmen und Mähren, das seit 1471 unter der Herrschaft der polnischen Königsdynastie der Jagiellonen stand, durch Erbschaft erneut an die Habsburger. Während der Zeit der türkischen Expansion blieb die Slowakei lange Zeit der einzige nicht türkische Teil Ungarns und gewann so an militärischer Bedeutung. 1530 fielen die Osmanen zwar in der Slowakei ein, doch sie verloren rasch wieder an Einfluss. Böhmen, Mähren und die Slowakei wurden weitgehend von der lutherischen Reformation erfasst. Pressburg, das heutige Bratislava, wurde 1536 zur Haupt- und zur Krönungsstadt und konnte diesen Status bis 1848 wahren. In Böhmen führte der Konflikt zwischen dem protestantischen Adel und dem Haus Habsburg zum 30-jährigen Krieg, der 1618 durch den Prager Fenstersturz ausgelöst wurde. Die im Westfälischen Frieden von 1648 festgelegten politischen und religiösen Grenzen bestanden dann mehr als ein Jahrhundert.
Im Jahr 1787 versucht Anton Bernolak, mit der Kodifizierung der slowakischen Schriftsprache zum ersten Mal eine einheitliche slowakische Sprache zu schaffen. Im 19. Jahrhundert zeichnete sich in Böhmen, Mähren und der Slowakei eine Bewegung ab, die nationale Heldengestalten wie Hus und Wenzel zu Mythen erklärte. In der Slowakei machte sich besonders der Gegensatz zu der ungarischen Oberschicht und die Unzufriedenheit über die Durchsetzung von Ungarisch als Amts- und Schulsprache bemerkbar. Als Reaktion darauf setzte Lúdovít Štúr, der Führer der slowakischen Nationalbewegung, 1843 die Kodifizierung der slowakischen Schriftsprache durch. 1848 stellte die Nationalbewegung ein politisches und staatsrechtliches Programm vor, das auch die Abspaltung von Habsburg beinhaltete. Dieses gipfelte im slowakischen Septemberaufstand, der jedoch ohne Erfolg blieb. Auch der daraufhin gegründete Slowakische Nationalrat konnte dieses Bestreben nicht durchsetzen. Erst der 1. Weltkrieg bot den Slowaken die Chance auf eine Autonomie.
Am 30.6.1918 verständigten sich in den USA lebende Exilgruppen der Tschechen und Slowaken im Vertrag von Pittsburgh über die Zusammenarbeit beim Aufbau eines zukünftigen gemeinsamen Staats. Am 28.10.1918 wurde die Tschechoslowakei gegründet. Die internationale Anerkennung des neuen Staates erfolgte im Frieden von St.-Germain (Auflösung des österreichischen Vielvölkerstaates) und dem Frieden von Trianon (Abspaltung der Slowakei von Ungarn). Allerdings lebten in dem soeben gegründeten Staat auch 23% Deutsche und 5% Ungarn sowie einige Minderheiten. Die deutsche Bevölkerung war insofern in einer besonderen Lage, als sie bis dahin zu der herrschenden Nationalität gehört hatten. Jetzt jedoch wurden sie unterdrückt.
In der Slowakei wuchs derweil die Unzufriedenheit über die zwar zugesicherte aber nicht gewährte Autonomie. So entstand mit der «Slowakischen Volkspartei» eine slowakische Autonomiebewegung. Die CSR versuchte sich außenpolitisch durch Anlehnung an Frankreich und seit 1935 auch an die Sowjetunion abzusichern. Das Sudetenland wurde jedoch eines der Hauptprobleme des jungen Staates. Hatten zunächst noch einige politische Parteien in Deutschland versucht, mit der tschechoslowakischen Regierung zu kooperieren, um die Rechte der Sudetendeutschen zu verbessern, so wurde die Haltung Deutschlands seit 1933 mehr und mehr durch die NSDAP gesteuert, deren Ziel ein Anschluss des Sudetenlandes an das Deutsche Reich war. 1938 wurde dieses Ziel im Münchner Abkommen erreicht. Frankreich und England stimmten der Angliederung des Sudetenlandes an Deutschland zu. Kleinere Gebiete mussten zudem an Ungarn und Polen abgetreten werden. Die Prager Zentralregierung musste zudem auf Druck der slowakischen Autonomisten eine Föderalisierung der CSR zulassen.
Auf Druck Deutschlands wurde 1939 die Slowakei für unabhängig erklärt und erhielt eine autonome Regierung unter dem Führer der Autonomisten, Jozef Tiso. Das verbliebene Staatsgebiet wurde unter dem Bruch des Münchner Abkommens unter dem Namen «Protektorat Böhmen und Mähren» Deutschland angegliedert. Die Slowakei besaß als «Schutzstaat Slowakei» allerdings nur geringfügige politische Souveränität. Die Gegner von Staatspräsident Tiso initiierten 1944 bei Banská Bystrica den Slowakischen Nationalaufstand gegen die Besatzer, der jedoch von deutschen Truppen niedergeschlagen wurde. Nach der Niederlage Deutschlands im 2. Weltkrieg wurde die Slowakei 1945 von sowjetischen Truppen besetzt und die Tschechoslowakische Republik wieder hergestellt, mit Ausnahme der an die Sowjetunion abgetretene Karpato-Ukraine. Die überwiegende Mehrheit der deutschen Bevölkerung, darunter große Teile der Karpatendeutschen und der Zipser Sachsen, wurde ausgewiesen.
1948 übernahm die KP in einem verdeckten Putsch die Macht, nachdem es unter den Regierungsparteien immer größere Unstimmigkeiten gegeben hatte. Die Demokratie wurde in eine kommunistische Volksdemokratie abgewandelt. Der den Slowaken verfassungsmäßig zugesicherte Föderalismus war damit entgültig verloren. Seit 1962 setzte sich in der CSSR das politische Modell eines «demokratischen Sozialismus» durch, der von Alexander Dubček eingeleitet wurde und allgemein als «Prager Frühling» bezeichnet wird. Der Einmarsch der sowjetischen Truppen in Prag am 21. August 1968 beendete jedoch dieses Intermezzo und Dubček wurde aus allen Ämtern gedrängt. Dubčeks Nachfolger Husak schwenkte wieder auf einen orthodox kommunistischen Kurs um. In kleinen Schritten näherte sich Husak aber doch dem Westen: 1973 Unterzeichnung des Staatsvertrages mit der BRD, 1975 folgte ein Abkommen über wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit, 1978 besuchte Husak die BRD. Als Ende der 80er Jahre Michail Gorbatschow sowjetischer Präsident wird, beginnen die kommunistischen Kräfte an Macht zu verlieren. Husak tritt 1989 zurück und Dubček wird zum Präsidenten der Föderalen Versammlung gewählt. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems erfolgte im Frühjahr 1990 die Umwandlung in eine föderative Republik innerhalb der CSFR. Die CSFR hatte wegen der Autonomiebestrebungen der Slowaken aber nur für kurze Zeit Bestand.
Die ersten freien Wahlen am 8./9.6. 1990 gewann die Bewegung «Öffentlichkeit gegen Gewalt» (VPN) und ging eine Koalition mit der KDH ein, zunächst unter Ministerpräsident Vladimír Mečiar (VPN), ab April 1991 unter Ministerpräsident Carnogurský (KDH). Im April 1991 spaltete sich die VPN in HZDS, unter dem Vorsitz Mečiars, und «Demokratische Bürgerunion». Im Juni 1992 ging die HZDS als Sieger aus den Wahlen hervor. Mečiar forcierte die Autonomiebestrebung der Slowakei. Verhandlungen mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Václav Klaus zur Bildung einer Konföderation schlugen fehl.
Am 17.7.1992 proklamiert das slowakische Parlament die Unabhängigkeit von Tschechien. Am 1.1.1993 wird die Slowakei ein souveräner Staat. Die HZDS übernimmt unter der Führung Mečiars die Regierung, doch schon bald kommt es zu Spannungen. Im Laufe von Mečiars Amtszeit droht die Slowakei in die politische und wirtschaftliche Isolation abzurutschen. Die mögliche EU-Mitgliedschaft rückt in weite Ferne und von früheren Handelspartner wie Jugoslawien, Syrien und Libyen werden Handelssperren verhängt.
1998 löst Mikulás Dzurinda (SDK, später SDKU) Mečiar als Ministerpräsident ab, 1999 wird Rudolf Schuster Staatspräsident. Am 15.2.2000 beginnen die Beitrittsverhandlungen mit der EU. Unter der Regierung Dzurinda kommt das Land auf Konsolidierungskurs. Neben der Umgestaltung des nicht mehr bezahlbaren Sozialversicherungssystems zeigen die von der Regierung entwickelten Konjunkturprogramme schnell Wirkung. Vor allem der Abbau von Bürokratie und das Gewähren von Steuererleichterungen für ausländische Unternehmen kurbelten die Wirtschaft an. Die 2004 eingeführte sogenannte Flat Tax von 19% auf Einkommen, Unternehmensgewinne, Waren und Dienstleistungen wirft zahlreiche Diskussionen über soziale Gerechtigkeit auf, ist aber auch ein Anreiz für ausländische Investoren. Unter dem Strich hat die Regierung Dzurinda nach Meinung von Experten die Slowakei politisch und wirtschaftlich am weitesten vorangebracht.
Die Slowakei tritt am 29.3.2004 der NATO bei. Am 1.5.2004 wird sie Mitgliedsstaat der Europäischen Union. Weitere Meilensteine der Slowakei auf dem Weg in die europäische Integration sind der Beitritt zum Schengener Abkommen, der am 21.12.2007 wirksam wurde sowie die Einführung des EURO ab dem 1. Januar 2009.
Unter der amtierenden Regierung, die von Premier Róbert Fico angeführt wird und seit 2006 im Amt ist, drohte die Slowakei zeitweise wieder in die Isolation abzurutschen. Vor allem das Wahlbündnis mit der nationalpopulistischen HZDS unter Ex-Premier Vladimír Mečiar und der rechtsextremen Nationalpartei SNS erntete im Ausland heftige Kritik. Vertreter der Wirtschaft werfen Fico Populismus und Handlungsarmut vor. So wird der Wirtschaftsaufschwung vor allem der Vorgängerregierung unter Mikulás Dzurinda zugeschrieben. Dennoch ist die Popularität Ficos bei der Bevölkerung ungebrochen und verläuft sogar konträr zur immer stärker werdenden Kritik der inländischen Medien am Regierungschef.